Wenn wir einander verstehen und mit Achtsamkeit begegnen wollen, müssen wir uns selbst verstehen und respektieren. Mit den richtigen Fragen kannst du viel über dich herausfinden und deine eigenen Ängste und Bedürfnisse mit anderen mitteilen.
Wie wichtig sind dir die Meinungen anderer, wenn du dich entscheiden musst?
Was frühstücke ich, nehme ich den Bus oder das Rad, ruhe ich mich heute Abend aus oder gehe ich mit meinen Freunden aus, ziehe ich in eine andere Stadt, studiere oder arbeite ich, arbeite ich weiter an unserer Beziehung oder trenne ich mich? Einige kleinere alltägliche Entscheidungen treffe ich aus dem spontanen Gefühl heraus, bei größeren Entscheidungen richte ich mich danach, was andere machen oder sagen. Entscheidungen, die meine Zukunft betreffen spreche ich gerne ab mit Menschen, die mich gut kennen. Die Meinung der Leute, die mir nahe stehen ist mir wichtig. Die wissen manchmal besser, was mir gut tut. Maßstäbe und Richtlinien die mir die Gesellschaft vermitteln, beeinflussen meine Entscheidungen auch. Deswegen bin ich oft in einem inneren Konflikt, zwischen dem was ich (nicht) möchte und dem was von mir erwartet wird.
Was würdest du deinem jüngeren Ich mit der Erfahrung von heute sagen?
Als erstes, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Denn das bremst mich aus und bringt mich nicht weiter. Es gibt eben nur zwei Möglichkeiten: es wird gut oder es wird nicht so gut. Ob man sich vorher darum sorgt wie man in Situationen zurechtkommt oder ob man den nächsten Schritt überlebt, nimmt keinen Einfluss darauf was passiert. Seitdem ich das verinnerlicht habe, sind die Berge flacher und die Hürden kleiner. Manchmal klappt es nicht und ich falle hin. Damit komme ich zu der zweiten wichtigen Sache, der ich mir gerne schon früher bewusst gewesen wäre: in einer Sache scheitern ist nicht gleich lebenslanges Totalversagen. Wenn ich was angestellt habe, bin ich nicht allgemein ein schlechter Mensch. Wenn mich jemand nicht leiden kann bin ich deswegen kein Außenseiter. Das bedeutet, die kleinen Fehler und Schwächen sollte ich nicht auf das Große und Ganze aufbrechen.
Glaubst du an die Liebe auf den ersten Blick?
Ich glaube an ein bestimmtes Gefühl, dass ganz selten schon im ersten Kontakt mit einem Menschen aufkommt. Sich wohlfühlen ohne Aufwärmphase, ohne Angst vor dem Urteil des anderen und ohne Anpassen. Eine Sympathie, die genug positive Energie auslöst, dass man süchtig danach wird. Aber die tiefe Liebe, die Verbundenheit und Vertrauen, die Zuflucht und Zuhause ist, entwickelt und festigt sich mit der Zeit und ist nicht einfach da.
Fällt es dir schwer Dinge loszulassen?
Mit jeder neuen Entscheidung, jedem Schritt den ich gehe, lasse ich auch etwas hinter mir. Vor ein paar Jahren war da noch ganz viel Vorfreude dabei. Vorfreude auf die Zeit nach der Schule, Vorfreude auf die bevorstehende Reise, Vorfreude auf die neue Stadt. Heute kenne ich meine persönlichen Herausforderungen in dem rasanten Vorwärts. Ich komme selten noch zu mir, weil ich ständig in andere Rollen schlüpfe, um mich in verschiedenen Kreisen und Lebensbereichen zurechtzufinden. Da kommt dann die Nostalgie auf. Ich erinnere mich an meine kleine Welt, die ich hinter mir gelassen habe, um in die große Welt aufzubrechen. Meine immer gleiche Rolle, in die ich auch wieder schlüpfe, wenn ich in der Heimat bin. Aus dieser Rolle habe ich mich befreit aber manchmal würde ich auch gerne wieder zurück, weil’s so einfach ist. Meine Herausforderung besteht besonders darin, meine liebsten Menschen loszulassen und dabei nicht zu verlieren. Dann wünsche ich mir, wir würden alle den gleichen Weg gehen. Gleichzeitig weiß ich, dass der Weg den ich gehe der einzige ist, der für mich in Frage kommt.
Hältst du es für egoistisch zufrieden sein zu wollen?
„Was würdest du dir wünschen, wenn du einen Wunsch in deinem Leben frei hättest?“, das hat mich ein Freund gefragt und meine Antwort war: „Ich würde mir wünschen immer zufrieden zu sein.“ Er erzählte mir, dass die Antworten, die er auf diese Frage bekommt meistens selbstbezogen sind. Ich habe mich danach egoistisch und super egozentrisch gefühlt. Aber ich weiß, bei allem, was ich mir wünsche komme ich am Schluss zu mir selbst. Wenn ich mir vorstelle, was mir die größten Schmerzen bereiten würde, dann ist es das Leid der Menschen, die ich liebe. Ich weiß auch, dass es viel leichter ist, andere glücklich zu machen, als mich selbst. Mit anderen ihr Leid zu teilen, lindert auch mein Leid. Andere glücklich zu sehen, macht mich am Ende auch glücklich. Wir sind nur ein Teil, das abhängig ist von anderen Teilen und wir sind Individuen, die für sich selbst sorgen müssen. Alles, was wir machen ist letztlich egoistisch und alles, was wir machen ist unserer Beitrag zur Welt und dem Wohlergehen anderer. Und wenn ich nach Zufriedenheit strebe, ist das natürlich egoistisch aber wenn sich die Zufriedenheit durch das Wohlergehen anderer einstellt, kann dieses Bestreben auch zu meinem selbstlosesten Beitrag werden.